Straßenausbaubeiträge abgeschafft 18. Dez. 20204. Feb. 2021 | Oliver Glodzei Symbolfoto (Bild: Peter_H auf pixabay) Nun hat auch Reppenstedt die ungeliebten Straßenausbaubeiträge abgeschafft, eine oft empfindlich hohe finanzielle Beteiligung der Anwohner*innen an den Kosten für Instandsetzung von Straßen und Wegen. Die anderen Gellerser Gemeinden hatten das schon vor Jahren gemacht, im deutlich größeren Reppenstedt dauerte die Diskussion um die Finanzierung länger. Grund war die Abwägung zwischen mehreren Modellen, denn einig war man sich im Rat schon seit gut zehn Jahren, dass keine Beitragsbescheide mehr verschickt werden sollten (was in dieser Zeit auch nicht geschah). Allein, keines der Modelle ist wirklich vorbehaltlos gut. Modell „Grundsteuer“ Das Modell „Grundsteuer“ lag im Prinzip schon 2012 auf den Tischen der Gliedgemeinden. Wegen eines Rechtsstreits wurde das Thema aber zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach diesem Modell wird auf Straßenausbaubeiträge ganz verzichtet. Stattdessen wird die Grundsteuer so weit angehoben, dass mit den Mehreinnahmen die Instandsetzungen finanziert werden können. Die Last wird also auf alle Einwohnerinnen und Einwohner verteilt. Nebenbei spart die Verwaltung viel Arbeit, weil die Abrechnung von Beiträgen komplex ist und häufig erst vor Gericht entschieden wird. Nachteil ist, dass Steuern nicht zweckgebunden erhoben werden können und die Mehreinnahmen grundsätzlich zunächst zum Haushaltsausgleich verwendet werden müssen und von daher der Instandhaltung von Straßen gar nicht vollständig zur Verfügung stehen könnten. Im wohlhabenden Reppenstedt ein eher theoretisches Problem. Außerdem geht ein guter Teil der Grundsteuern an die Samtgemeinde und den Landkreis, die also an jeder Erhöhung ein bisschen mitverdienen. Modell „Wiederkehrende Beiträge“ Das Modell „Wiederkehrende Beiträge“ existiert in Niedersachsen erst seit 2017 und ist nur auf den ersten Blick der Grundsteuererhöhung überlegen. Beiträge können zweckgebunden erhoben werden, und in diesem speziellen Konstrukt wird die finanzielle Last auf mehreren Schultern verteilt, nämlich den Schultern derer, die im selben der zuvor festgelegten Abrechnungsgebiete wohnen. Abgerechnet werden dürfen so höchstens 80% der Kosten der Maßnahme, aber auch die nur, wenn der Nutzen für die Allgemeinheit nicht eigentlich größer ist 20%. Auf den Fluren entsprechend spezialisierter Anwaltsfirmen dürften die Sektkorken geknallt haben, OVG-Richter*innen hingegen haben vermutlich Weinkrämpfe bekommen. Spaß beiseite: Der neue §6c des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) bietet jede Menge Klageansätze, und die Verpflichtung, Reppenstedt in Abrechnungsgebiete aufzuteilen. Mark Stark, für die Grünen im Bauausschuss, verwies neben dem Verwaltungsaufwand auch auf den emotionalen Aspekt: „Wenn wir Reppenstedt in Abrechnungsgebiete teilen, Dachtmissen sogar noch als eigenes Gebiet, sind wir dann noch ein einiges Reppenstedt?“ Das Modell „StrABS ersatzlos streichen“ Das Modell „StrABS ersatzlos streichen“ ist ein Einfall, mit dem die FDP seit ein paar Jahren hausieren geht. Klingt auf den ersten Blick auch zu gut: Die Kosten für die Straßensanierung solle in Zukunft das Land (und indirekt der Bund) übernehmen. Problem ist nur: Die Kommunen hätten dann wohl nicht mehr zu entscheiden, welche Maßnahmen sie zum Erhalt ihrer Infrastruktur ergreifen wollen; eine Landesbehörde würde stattdessen in diesen ureigensten Wirkungsbereich der Kommunen hineinregieren. Wieviel Geld dafür wem zur Verfügung stünde, bestimmten der Landtag und die Landesregierung. Wenn dann mal ein Wirtschaftsminister ein paar Millionen blockierte, um so zu tun, als wolle er damit eine Elbbrücke bauen, hätten die Kommunen da keinen Einfluss mehr drauf. Rein theoretische Beispiel natürlich. Die Diskussion, welches dieser Modelle nun für Reppenstedt das beste sei, zog sich über mehrere Jahre. Ein Gutachten wurde erstellt, eine Arbeitsgruppe gebildet. Schließlich waren alle Argumente ausgetauscht, und alle hatten sich -gut informiert- ihre Meinung gebildet. Entschieden wurde trotzdem nichts, weil schwarz und rot in der Mehrheitsgruppe nicht der gleichen Meinung waren. Erst auf Antrag der Grünen wurde schließlich im vergangenen September die Debatte im Bauausschuss wieder aufgenommen, im nicht-öffentlichen Verwaltungsausschuss fortgesetzt und am Donnerstag im Gemeinderat abgeschlossen. 7 Ratsfrauen- und herren aus CDU und SOLI stimmten für das Modell „Wiederkehrende Beiträge“, 11 aus Grünen, SPD und FDP für das Modell „Grundsteuer“. Oliver Glodzei, Fraktionssprecher der Grünen stellte vor der Abstimmung noch einmal klar: „Für welche Variante auch immer wir uns hier gleich entscheiden, und die Entscheidung wird knapp ausfallen: Der Reppenstedter Rat ist sich einig in dem Ziel, die von vielen als ungerecht empfundenen einmaligen Straßenausbaubeitragszahlungen abzuschaffen.“ Bei den Grünen ist das Thema inzwischen auch auf der Landesebene angekommen. Im Vorfeld des Online-Delegiertentreffens im November gab es Gespräche zwischen Kreisverband und Landesvorstand über die Forderung nach einer zweckgebundenen Einnahmequelle der Kommunen, die die Anwohnerbeiträge ersetzen können, ohne die Gemeinden in juristische Abenteuer zu treiben. Bis das Land eine solche Lösung schafft, glauben wir, für Reppenstedt die zu diesem Zeitpunkt beste Lösung gefunden zu haben. Die Ratssitzung vom 17. Dezember 2020 im Ratsinformationssystem Die Bauausschusssitzung vom 2. September 2020 im Ratsinformationssystem